bei meinen gespraechen hier in bonn ist immer wieder die frage aufgetaucht „was ist denn das, ein stadtklang kuenstler“… “was ist stadtklang“… “was hoere ich da“…
ich moechte in diesem blogbeitrag beginnen das thema stadtklang allgemein anzusprechen, grundlegende wechselwirkungen und zusammenhaenge darstellen und in den folgenden beitraegen an konkreten bonner beispielen weiter vertiefen.
warum stadtklang = auditiver lebensraum heute neu ins zentrum unserer aufmerksamkeit rueckt, ist vielleicht einerseits darin begruendet, dass im hoersinn auch der raumsinn liegt. dass das auditive wahrnehmen einer lebensumgebung unsere emotionale bindung an diese wesentlich mitbestimmt und wir diese atmosphaerische notwendigkeit vom real auditiven immer mehr in den real subjektiv gestalteten medialen raum (handy,i-pod,..) verschieben. und andererseits, dass die auditive qualitaet eines urbanen raums auch immer eine konsequenz des designs im architektonischen wie im staedteplanerischen ist… zufaellig oder gewollt.
jede stadt erzaehlt ihre auditive geschichte, so wie jeder raum spricht und ein klangereignis faerbt. topografie, architektur, oekonomische und soziale struktur und dynamik, all das laesst sich hoeren.
wenn ich raus auf die strasse gehe, die stadt durchwandere und ihr zuhöre, dann hoere ich unsere kultur. sie ist laut, ruhelos, von verbrennungsmotoren- , strom- und medienklaengen dominiert, und sie ist verknuepft und vermischt in einem netz von infrastruktur systemen.
mich interessiert die frage, was haben unsere urbanen raeume, und die art und weise wie wir darin unsere sozialen und oekonomischen interaktionen organisieren, meinen sinnen zu bieten… mein besonderes interesse gilt dem hoerbaren…
image o+a (2009)
seit der renaissance haben wir eine visuelle perspektive entwickelt, eine sprache dafuer, wie wir mit bildern und unseren visuellen eindruecken umgehen und sie kommunizieren. wir haben nichts vergleichbares fuer die welt des auditiven. es fehlt uns die sprache um z.b. die komplexe wellenform einer staedtischen umgebung zu beschreiben und auch dafuer, was deren klaenge mit uns machen, wie wir durch sie einen raum, einen ort, eine situation empfinden… “hearing perspective“
klaenge sind schallwellen, sind vibrationen. wir nehmen sie nicht nur mit dem ohr wahr, es hoert der ganze koerper. unser koerper ist voll mit hohlraeumen die alle in ihren eigenen frequenzen resonieren. wir spueren einen bass im bauch und einen hochfrequenten klang auf der schaedeldecke. es gelingt uns vielleicht sehr gut das schneidende quietschen von busbremsen nicht mehr bewusst hoerend wahrzunehmen. sehr erfolgreich haben wir unsere faehigkeit des gehirns perfektioniert, klaenge wegzufiltern und nicht zu hoeren, aber bei genauerer beobachtung stellen wir eine reaktion unseres koerpers fest, ein verkrampfen.
architektur definiert die soundbox fuer uns und unsere klangereignisse… jeder gebaute raum faerbt durch form und materialitaet ein klangereignis, im reflektieren und resonieren, in seiner halligkeit oder daempfung… jeder klang ist in seinem auditiven erleben mit den architektonischen eigenschaften seines ereignisraums verwoben. staedteplanung definiert die moeglichkeiten einer dynamischen klangausbreitung und -mischung aller in ihr moeglichen klangereignisse… ihr schwerpunkt liegt im atmosphaerischen, im moeglichen mix der vielen stimmen und in den rhythmischen strukturen von groesseren urbanen raeumen.
ein thema, das heute immer mehr ins öffentliche bewusstsein rückt, ist die beziehung von stadt und laerm. es gibt bereits von fast allen staedten europas laermkarten. und dass laerm, meist verkehrslaerm, ein problem ist, wird heute niemand mehr bestreiten. unsere herkoemmliche herangehensweise, meist bauakustisch/technischer natur, beruft sich auf messbare werte und gesetzliche lautheitsgrenzen. die durchfuehrbarkeit dieses vorgehens und seine begruendung beruht auf problemeingrenzung, standardisierung und deren erfassbaren daten. diese diskussion ueber stadt, laerm und unsere fortschreitende taubheit ist so alt wie die industrialisierung. mich interessiert dieses thema im sinne des unerwuenscht hoerbaren, das je nach auditiver situation und fragestellung zur wirkung kommen kann.
als bonner stadtklangkuenstler moechte ich eine einladung an alle aussprechen, sich mit ihrer staedtischen umwelt, ihrem lebensraum hoerend auseinanderzusetzen:
– am selbst erfahrenen raum sein hoerendes denken schulen…
– dem visuellen wahrnehmen und verstehen ein hoerendes beizustellen…
– eine eigene idee fuer auditive qualitaeten entwickeln…
– sich selbst als hoerend wie klangerzeugend mit ins thema zu integrieren.
es erleichtert, sich dem thema stadtklang zu naehern, wenn wir den begriff klang von seiner traditionellen musikalischen und technischen definition befreien und ihn in diesem zusammenhang auf das wahrnehmbar hoerbare erweitern. denn eine genaue unterscheidung zwischen klang und geraeusch verkompliziert das thema nur unnoetig – und dessen unterscheidungsgrenzen verschieben sich je nach betrachtungsweise.
um stadtklang kommunizierbar zu machen hilft es, sich z.b. begriffe wie klanglandschaft und die grundsaetzlichkeit der wechselwirkung von klang, raum und architektur bewusst zumachen.
als einstieg in das thema „stadtklang“ moechte ich – mit diesem blogbeitrag beginnend – jeweils eine literaturempfehlung aussprechen und begriffe einführen…
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ein standard werk zum thema ist:
„klang und krach“ eine kulturgeschichte des hoerens von r.murray schafer, athenaeum,1988
murray schafer erzaehlt in klang und krach die geschichte unseres umgangs mit den natuerlichen und den von uns produzierten klaengen aus westlich kultureller sicht. er schlaegt darin einen bogen ausgehend von der natuerlichen lautsphaere zu den lauten des lebens, der laendlichen lautsphaere, von der kleinstadt zur grossstadt und bis zu unserer postindustriellen heutigen media-lautsphaere. weiter entwickelt er darin methoden zur analyse von lautsphaeren, stellt hoeruebungen vor und gibt vorschlaege zu einem akustik design………manche seiner forderungen und schlussfolgerungen sind aus meiner sicht problematisch oder von unserer netzkultur schon wieder ueberholt. aber unbestritten ist klang und krach ein ueberaus gut lesbares standardwerk zum thema….es macht lust auf hoeren.
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soundscape/klanglandschaft – bezeichnet die gesamtheit einer „klingenden“ umgebung. moechte man jetzt eine bestimmte klanglandschaft beschreiben, so ist es anfangs hilfreich, diese lautsphaere (den auditiven raum) grundsaetzlich auf grundtoene, signallaute und orientierungslaute zu untersuchen.
grundton – ist ein begriff aus der musik; gemeint ist damit die note ,welche die tonart oder tonalitaet einer komposition bestimmt… nicht immer ist er deutlich zu hoeren, er wird ueberhoert aber nicht uebergangen… er wird zur hoergewohnheit, die sich unbewusst festsetzt.
viele der grundtoene in staedten werden von materialien produziert….das material stein und die objekte die ihn anstossen,absplittern oder zerkratzen sind ein grundton in alten europaeischen staedten… in heutigen staedten ist es asphalt, beton und glas.
signallaute – akustische warnzeichen und codes..von der fahrradklingel bis zum nebelhorn..
orientierungslaute – charakterisieren das akustische leben einer gemeinschaft.