10:00 – 13:00 uhr
lvr-landesmuseum
GESCHICHTE DES HÖRENS
Vorträge
Anne Holzmüller, Musikwissenschaftlerin (DE)
Schönberg in den Gassen. Ansätze zu einer Geschichte des musikalischen Hörens
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In meinem Vortrag möchte ich weniger diesen Irrtum verfolgen als vielmehr auf versuchen, Logiken und Dynamiken auszumachen, die hörgeschichtlichen Wandel organisieren können. Ausgehend von Schönbergs Essay „Komposition mit zwölf Tönen“ (1936) möchte ich unterschiedliche Ansätze, Musikgeschichte als Hörgeschichte zu schreiben, auf ihre theoretischen Grundlagen hin befragen. Während Schönberg einer Hörästhetik verpflichtet war, nach der das Hören den Werken und kompositorischen Innovationen folgt, betonen jüngere Ansätze häufig kulturgeschichtliche Faktoren und soziale Prozesse, die sich normierend auf das Hörverhalten auswirken. Wie muss eine Hörgeschichte aufgestellt sein, um sich speziell auch Aspekten des Hörerlebens annähern zu können?
Sven Oliver Müller, Historiker (DE)
Die Erfindung des Schweigens. Zum Wandel des Hörverhaltens und des Publikumsgeschmacks im 19. Jahrhundert.
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Dieses Hörverhalten veränderte sich: Zwischen 1820 und 1860 erfand das Publikum das Schweigen. Die Konzertbesucher in einigen norddeutschen Städten machten den Anfang. Das Publikum verwandelte sich in Musikhörer im wörtlichen Sinne – es hörte Musik. Es breitete sich eine ganz ungewohnte Stille aus. Man folgte konzentriert dem Verlauf der Musik, beschränkte Beifall und Missfallen maßvoll und stellte die Kommunikation mit den Künstlern wie mit den Sitznachbarn während der Vorstellung ein. Der sogenannte „absoluten Musik“, etwa den Sinfonien von Beethoven, kam eine herausragende Bedeutung zu.
Eine der Ursachen des Hörverhaltens könnte die Umwertung der Musik durch das Bildungsbürgertum sein. Gerade die Instrumentalmusik wurde von einer der niederen zu einer der höchsten Kunstformen stilisiert, sie war nicht länger ein unterhaltendes Beiwerk, sondern ein wertvolles „Werk“. Im Zeitalter verändernder Geschmackspräferenzen schwand das Interesse an musikalischen Laien und unzureichend ausgebildeten Solisten. Erklärt der Erfolg der musikalischen „Kenner“ die Erfindung des Schweigens, die Entstehung eines neuen Hörverhaltens und eines neuen Geschmacks? Auf diese Frage ist eine eindeutige Antwort bislang noch nicht gefunden worden. Sie ist das Thema des Vortrags.
Holger Schulze, Kulturanthropologe (DE/DK)
Die klebrige Idiosynkrasie: Eine Klanganthropologie der Situation
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Gespräch mit Gordan Monahan, Sven Oliver Müller und Jens Gerrit Papenburg
Moderation: Janina Klassen
donnerstag, 21. oktober 2021
15:00 – 18:00 uhr
lvr-landesmuseum
VORSTELLUNG UND ERKENNTNIS
Vorträge
Barry Blesser, Autor/Ingenieur (US) und Linda-Ruth Salter (US)
Kognitive Modelle des hörenden und zuhörenden Geistes
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Stefan Evers, Neurologe und Musikwissenschaftler (DE)
Taubheit und musikalische Perzeption – Anmerkungen aus medizinisch-neurowissenschaftlicher Sicht
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Zu Beginn des Vortrags sollen die anatomischen und neurophysiologischen Besonderheiten der akustischen Reizverarbeitung dargestellt werden. Hier zeichnet sich das Gehör durch eine ontogenetisch sehr frühe Entstehung und durch eine gegenüber anderen Sinneswahrnehmungen komplexere neuronale Verschaltung aus.
Dann sollen die Besonderheiten von musikalischer Wahrnehmung erläutert werden, die einen fließenden Übergang von absoluter peripher-akustischer Taubheit bis hin zur Agnosie von Musik bilden. Hierzu gehören auch Phänomene wie der „Ohrwurm“, musikalische Halluzinationen, Musikimagination und amusische Störungen.
Ein weiterer Abschnitt widmet sich der Frage, ob Musikwahrnehmung ausschließlich im akustischen System erfolgen muss. Andere Sinneswahrnehmungen sind nämlich ebenfalls in der Lage, zur Identifikation und Beurteilung von Musik beizutragen. Hierbei bleibt aber offen, ob man dies als Musikwahrnehmung bezeichnen kann. Dies berührt auch die Definition von Musik, wie sie z. B. in der berühmten Komposition 4‘ 33‘‘ von John Cage erweitert wird.
Schließlich sollen die o. g. Phänomene auf Ludwig van Beethoven bezogen werden. Unstreitig (?) war sein peripheres Gehör beeinträchtigt, aber in welchem Sinne war er wirklich taub? Welche Möglichkeiten der Musikimagination hatte er? Welche Kompensationsmechanismen setzte er ein?
Lucia Ronchetti, Komponistin (IT) »requiem« für Viola Solo
mit Luca Sanzò, Viola
Gespräch mit Stefan Evers und Lucia Ronchetti
Moderation: Raoul Mörchen
donnerstag, 21. oktober 2021
20:00 uhr, treffpunkt: LVR-LandesMuseum Bonn
stadtraum bonn – historische altstadt
EIN HÖRSPAZIERGANG DURCH BONN
Sam Auinger (AT/DE) »Gehörte Stadt Bonn«
Keine weiteren Anmeldungen mehr möglich!
10 am – 1 pm
lvr-landesmuseum
HISTORY OF LISTENING
Lectures
Anne Holzmüller, musicologist (DE)
Schoenberg in the Streets: Approaches to a History of Listening to Music
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In my lecture I will not so much pursue this error as I will try to identify logics and dynamics that can organize changes in the history of hearing. Based on Schoenberg’s essay “Composition with Twelve Tones” (1936), I would like to question different approaches to writing music history as listening history, with respect to their theoretical foundations. While Schoenberg was committed to an aesthetic of listening, according to which listening follows the works and compositional innovations, more recent approaches often emphasize cultural-historical factors and social processes that have a normative effect on listening behavior. How must a listening history be set up in order to approach aspects of the listening experience in particular?
Sven Oliver Müller, historian (DE)
The Invention of Silence. On the Change in Listening Behavior and Public Taste in the 19th Century.
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Holger Schulze, cultural anthropologist (DE/DK)
Sticky Idiosyncrasies. A Sound Anthropology of the Situation
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Conversation with Gordan Monahan, Sven Oliver Müller and Jens Gerrit Papenburg
Moderation: Janina Klassen
thursday, 21 october 2021
3 pm – 6 pm
lvr-landesmuseum
IMAGINATION AND KNOWLEDGE
Lectures
Barry Blesser, author/engineer (US) and Linda-Ruth Salter (US)
Cognitive Models of the Hearing and Listening Mind
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Stefan Evers, neurologist and musicologist (DE)
Deafness and Musical Perception – Remarks from a Medical-Neuroscientific Point of View
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At the beginning of the lecture, the anatomical and neurophysiological characteristics of acoustic stimulus processing will be presented. Here, hearing is characterized by a very early ontogenetic development and by a more complex neural circuitry compared to other sensory perceptions.
Following that, the peculiarities of musical perception will be explained, which form a smooth transition from absolute peripheral acoustic deafness to the agnosia of music. This also includes phenomena such as the “catchy tune”, musical hallucinations, musical imagination and amusic disorders.
Another chapter is devoted to the question of whether music perception must take place exclusively within the acoustic system. Other sensory perceptions are also capable of contributing to the identification and evaluation of music. Here, however, it remains open whether this can be called music perception. This also affects the definition of music, as it is extended, for example, in the famous composition 4′ 33” by John Cage.
Finally, the above-mentioned phenomena will be related to Ludwig van Beethoven. Indisputably (?) his peripheral hearing was impaired, but in what sense was he really deaf? What possibilities of musical imagination did he have? What compensatory mechanisms did he use?
Lucia Ronchetti, composer (IT) »requiem« for Viola solo
with Luca Sanzò, Viola
Conversation with Stefan Evers and Lucia Ronchetti
Moderation: Raoul Mörchen
thursday, 21 october 2021
8;00 pm, meeting point: LVR-LandesMuseum Bonn
urban space bonn – historic old town
a LISTENING WALK THROUGH BONN
Sam Auinger (AT/DE) »Listening to Bonn«
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